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Interview mit der Commerzbank: Business in Russland – Große Chancen trotz Finanzkrise

Commerzbank: Chancen in Russland

Commerzbank: Chancen in Russland

Interview mit Per Fischer, Senior Vice President & Head of Financial Institutions der Commerzbank.

Am 07.11.2008 fand in Frankfurt am Main der Wirtschaftstag „Chancen für den deutschen Mittelstand in den russischen Regionen: Region Moskau und im Wolgagebiet“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung vom BVMW (Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V.) mit Unterstützung der Commerzbank. Im Rahmen der Veranstaltung sprachen ausgewiesene Experten aus Russland und Deutschland über wichtige Aspekte einer Investitionstätigkeit deutscher mittelständischer Unternehmen in den russischen Regionen Moskau und Wolga-Gebiet.

Anlässlich des Wirtschafttages sprach RusslandJournal.de mit Herrn Per Fischer über die aktuelle Wirtschaftsentwicklung in Russland.

RusslandJournal: Die Commerzbank ist schon lange in Russland aktiv. Was sind die wichtigsten Veränderungen, die Sie vor allem in den letzten Jahren beobachten konnten?

Per Fischer: In den letzen acht Jahren hat Russland eine Phase des stürmischen Wachstums erlebt. Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in dieser Zeit sehr zum Positiven verändert. Die Handelsaktivitäten zwischen Russland und Deutschland haben stark zugenommen. Die Investitionsbedingungen haben sich verbessert. Die Rechtsicherheit ist gestiegen. Die Institutionen sind gestärkt worden, obwohl die Korruption immer noch existiert. Die Steuergesetze sind deutlich verbessert worden, sowohl für Russen als auch für Ausländer. Viele regionale Regierungen haben intensiv um Deutsche Investoren geworben. Das Bankwesen ist zwar immer noch krisenanfällig, hat sich aber auch deutlich gestärkt. Das freundlichere Wirtschaftsklima in Russland hat ein verstärktes Interesse von deutschen Firmen, auch aus dem Mittelstand, hervorgerufen.

RusslandJournal: Welche Unterstützung bietet die Commerzbank kleinen und mittelständischen Unternehmen an, die einen Einstieg in das Russland-Geschäft planen?

Per Fischer: Deutsche Unternehmen – ob große oder mittelständische – brauchen unterschiedliche Formen der Unterstützung:

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1. Die Möglichkeit, Handel zu betreiben.
Die Banken sind hier eine ganz entscheidende Schnittstelle, weil Handelsaktivitäten über Banken abgewickelt werden. Damit alles gut funktioniert, müssen Banken eng zusammenarbeiten. Die Commerzbank hat das breiteste Netz an Korrespondenzbanken in Russland, worüber wir für deutsche Firmen Handelstransaktionen abwickeln. Das beinhaltet, zum Beispiel auch, dass wir Kreditlinien für russische Banken zum Zwecke der Handelsfinanzierung bereithalten.
2. Finanzierung von Aktivitäten in Russland.
Über unsere Tochterbank Commerzbank Eurasia in Moskau können wir deutsche Firmen, die in Russland investiert haben und operativ tätig sind, unterstützen. Die Aktivitäten unserer Tochterbank reichen von der Kontoeröffnung in Rubel über die Handelsfinanzierung auch in Rubel.
3. Beratung Vorort und in Deutschland.
Unsere Tochterbank Commerzbank Eurasija in Moskau sowie unsere Repräsentanzen in Moskau und Novosibirsk beraten deutsche Unternehmen bei ihren Aktivitäten in Russland. Außerdem organisieren wir in Deutschland Informationsveranstaltungen, um unser Know-How in die breite Kundschaft zu tragen. Auch über unser Filialen-Netz vermitteln wir wichtiges Wissen über Russland, über russische Banken und über die Geschäftsabwicklung.

RusslandJournal: Was empfehlen Sie Unternehmern, die in Russland tätig werden wollen?

Per Fischer: Generell sind gute Marktkenntnisse und gute Partner wichtig. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich in Russland noch nicht positiv genug entwickelt. Es ist wichtig, sich in rechtlicher Hinsicht gut auszukennen und sich um rechtlichen Beistand zu kümmern.
Unternehmen, die Handel mit Russland betreiben wollen, sollten sich früh genug intensiv bei ihrer Bank über die üblichen Abwicklungsbedingungen sowie über die Zahlungs- und andere Instrumente der Handelsfinanzierung informieren.
Unternehmen, die in Russland investieren, sollten sich sehr genau über ihren Markt informieren. Es ist wichtig, einen guten Partner zu finden, um ein Joint Venture oder einen gemeinsamen Betrieb zu eröffnen. Außerdem sollte man über die geplanten Investitionen mit der Stadtverwaltung oder der Regionalregierung sprechen und sich so um eine Unterstützung bemühen.
Wichtig ist, den Markteinstieg sehr genau zu prüfen und zu planen. Wer in Russland erfolgreich sein will, braucht gute Beratung und einen langen Atem. In Russland kommt man nicht schnell zum Erfolg, sondern braucht eine gewisse Zeit.

RusslandJournal: Gibt es Standorte in Russland, die Sie für ein Engagement besonders empfehlen würden?

Per Fischer: Entlang der Wolga gibt es eine ganze Reihe von Industrien, die für deutsche Investoren durchaus attraktiv erscheinen. Hier liegt Tatarstan, ein erdölreicher Staat, der über eine solide finanzielle Basis verfügt und seine Industrie entwickelt. Weiter unten an der Wolga hat sich die Automobilindustrie angesiedelt, die weitere Industrien anzieht. Auch Sibirien bietet großes Potential. Insbesondere Novosibirsk als eine gewachsene Industriestadt und wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Herzen Sibiriens. Wir glauben, dass die Zukunft zum großen Teil in Sibirien liegt. Aber natürlich auch in sich dynamisch entwickelnden Zentren wie Moskau und St. Petersburg, und zunehmend entlang der Wolga.

RusslandJournal: Wie sieht es aus Branchensicht aus? Gibt es Nischen, die man noch besetzen könnte?

Per Fischer: Ich glaube, dass die Branchen, die jetzt schon deutsches Interesse finden, noch wesentliches Potential haben. Das sind Branchen wie Nahrungsmittelindustrie oder der Agrarbereich. Die KFZ-Industrie hat sicher auch eine gute Zukunft. Hohe Investitionen wie, zum Beispiel, die von VW in Kaluga, ziehen andere Firmen nach sich. Gute Aussichten haben deutsche Unternehmen, die um die Infrastruktur gruppiert sind. Dazu gehört Straßenbau, Eisenbahn und andere Infrastrukturen.
Die verarbeitende Industrie spielt eine immer größere Rolle. Russland bietet große Chancen und es werden noch welche entstehen. Die Finanzkrise wird zu einer gewissen Phase des Abschwungs führen und auch in Russland ihre Spuren zeigen. Aber die großen Potentiale und Chancen bleiben auch für die Zukunft.
RusslandJournal: Unabhängig von der Finanzkrise?

Per Fischer: Absolut. Auch wenn wir über den Umfang des Abschwungs noch nicht genau Bescheid wissen. Es ist davon auszugehen, dass die Modernisierungsprogramme der russischen Wirtschaft fortgeführt werden. Natürlich muss man mit Wachstumskorrekturen rechnen. Man darf nicht vergessen, dass wir es hier mit einer weltweiten Krise zu tun haben, die Russland, Deutschland und viele andere Länder betrifft. Investitionen haben mit Absatzerwartungen zu tun. Und diese müssen korrigiert werden.

RusslandJournal: Die Immobilenbranche leidet auch in Russland unter der Krise. Die Preise sind in Moskau und St. Petersburg bereits stark gefallen. Welche Auswirkungen hat diese Tendenz auf Deutsche Unternehmen, die in Russland arbeiten oder arbeiten wollen?

Per Fischer: Hier haben wir es mit einer Korrektur zu tun. Diese kommt in Russland nach einer Erhitzungsphase. Einige Projekte werden mit Sicherheit überdacht oder gestoppt werden müssen. Ich glaube aber, dass diese Korrektur die Dinge wieder in ein gewisses Gleichgewicht bringt und dass auch im Immobilienbereich weiterhin Chancen und Potentiale bestehen.

RusslandJournal: Was halten Sie von dem Programm der russischen Regierung zur Stabilisierung des Bankenwesens?

Per Fischer: Mit dem breiten Ansatz zur Stärkung des Finanzsektors und Bankenbereiches legt die russische Regierung ein verantwortungsvolles Verhalten an den Tag, das sich von den vielleicht nicht so erfolgreichen Versuchen in der Vergangenheit deutlich unterscheidet. Die russische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Bankensystem insgesamt zu stabilisieren und hat dafür große Summen zur Verfügung gestellt. Wir hoffen, dass die Programme der russischen Regierung zur Stabilisierung der Banken und damit auch der Wirtschaft positive Effekte haben werden.

RusslandJournal: Was bedeutet das für mittelständische Unternehmen?

Per Fischer: Das Rettungsprogramm ist zunächst einmal für den Bankensektor gedacht. Indem die Regierung das Bankensystem stabilisieren will, möchte sie auch die Versorgung der Wirtschaft aufrechterhalten. Die Bedingungen sind natürlich nicht die gleichen wie vor einem Jahr. Vor allem sind die Preise für die Refinanzierung für die Wirtschaft gestiegen. Wichtig ist aber, dass die Versorgung der Wirtschaft mit Finanzmitteln gesichert wird.

RusslandJournal: Das heißt also nicht, dass es für kleine oder mittelständische Unternehmen schwieriger geworden ist, Finanzmittel zu bekommen?

Per Fischer: Es ist weiterhin möglich. Ob ein Unternehmen tatsächlich Mittel bekommt, entscheidet die Bank. Die Preise für Bankenprodukte, vor allem für Kreditvergabe, sind auf der ganzen Welt gestiegen. Aber eine Grundversorgung gibt es auch in Russland und das ist das wesentliche Ziel des Programms.

RusslandJournal: Hat die Commerzbank vor, in Russland zu expandieren?

Per Fischer: Wir prüfen den Markt, halten ihn für sehr attraktiv und werden uns im russischen Markt weiterhin umschauen.

RusslandJournal: Also schätzen Sie die Entwicklung in Russland insgesamt als positiv ein?

Per Fischer: Durchaus. Russland ist nach wie vor ein ganz wesentlicher Markt für die deutsche Wirtschaft, auch ein interessanter Bankenmarkt mit hohem Potential. Das ist ein großer Markt mit fast 150 Millionen Einwohnern. Wir glauben, dass die strategische Partnerschaft zwischen deutscher und russischer Wirtschaft weiterhin der richtige Ansatz ist. Russland ist einer unserer wichtigsten Rohstofflieferanten. Deutschland ist eine Export- und Industrienation. Russland möchte eine Industrienation werden und ist es zum Teil schon geworden. Hier ergeben sich gute Geschäftsmöglichkeiten. Das ist eine Win-Win Situation für beide Seiten.

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