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Leo Tolstoi

Lew Nikolajewitsch Tolstoi (russisch: Лев Николаевич Толстой) (1828 – 1910) hat nicht nur als großer russischer Schriftsteller, sondern auch als Philosoph und Moralist Weltruhm erlangt. Vor allem ist er als meisterhafter Realist bekannt, dem es immer wieder gelang, die Empfindungen der Menschen, den Wechsel der Gefühle mit einer unglaublichen Präzision bis ins kleinste Detail auf Papier festzuhalten.

Das Lebenswerk von Tolstoi ist geprägt von einer ständigen Suche nach dem Sinn des Daseins, nach wahrem Glauben und Gerechtigkeit. Er wollte ein nützliches Leben führen, den Menschen dienen und so seinen eigenen Seelenfrieden finden.

Hermann Hesse sagte über Leo Tolstoi:

Die Art, wie Tolstoi… sich selber da und dort skizziert, diese etwas ängstliche Art, mit der er sich halb zeigt, halb verbirgt, sich nie ganz mit einer Figur identifiziert und doch allen Figuren eigenste Bekenntnisse in den Mund zu legen den Drang hat …, ist nicht bloß ein literarisches Spiel Tolstois, sondern ein Schlüssel zu seiner ganzen Psychologie…

Der russische Schriftsteller und Tolstois Zeitgenosse Anton Tschechow meinte:

Ich habe Angst vor Tolstois Tod. Wenn er stürbe, würde in meinem Leben ein großer, leerer Fleck bleiben.

„Krieg und Frieden“: Filme nach dem historischen Roman von Leo Tolstoi

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Der russische Dichter Leo Tolstoi erzählt eine bewegende Geschichte adeliger Familien in Russland 1805-1820. Der Napoleon-Krieg riss sie und ganz Russland aus dem alltäglichen Leben heraus. In „Krieg und Frieden“ geht um Liebe und Hass, Leidenschaft und Betrug, um die Suche nach privatem Glück und dem Sinn des Lebens. Der Roman wurde mehrmals verfilmt.

BBC TV Miniserie „Krieg & Frieden“ (2016): eine 6-stündige Version für das junge Publikum.
ZDF TV-Film „Krieg und Frieden“ (2007): detaillierte Informationen über den Film sowie über die Hauptfiguren von „Krieg und Frieden“.
BBC TV-Serie „Krieg und Frieden“ (1972): eine der aufwändigsten und teuersten britischen TV-Produktionen. Mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle.

Die bekanntesten Werke von Leo Tolstoi:
Deutscher Titel Russischer Titel (Erscheinungsjahr)
Kindheit Детство (1852)
Überfall. Die Erzählung eines Freiwilligen. Набег. Рассказ волонтера (1853)
Knabenjahre Отрочество (1854)
Sewastopol Erzählungen Севастопольские рассказы (1855)
Der Schneesturm Метель (1856)
Jugend Юность (1857)
Familienglück Семейное счастье (1859)
Die Kosaken Казаки (1863)
Krieg und Frieden Война и мир (1869)
Anna Karenina Анна Каренина (1878)
Meine Beichte Исповедь (1882)
Der Tod des Iwan Iljitsch Смерть Ивана Ильича (1886)
Der Leinwandmesser Холстомер (1886)
Der Teufel Дьявол (1889)
Die Kreutzersonate Крейцерова соната (1890)
Vater Sergij Отец Сергий (1890)
Herr und Knecht Хозяин и работник (1895)
Hadschi Murat.
Eine Erzählung aus dem Land der Tschetschenen
Хаджи-Мурат (1896)
Auferstehung Воскресение (1899)
Nach dem Balle После бала (1903)
Kornej Wassiljew Корней Васильев (1906)

Über Leo Tolstoi

Graf Lew Nikolajewitsch Tolstoi wurde am 28. August 1828 in Jasnaja Poljana (russ.: Ясная поляна) bei Tula (ca. 200 km südlich von Moskau) geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern lebte Tolstoi bei einer Verwandten. Seine glückliche Kindheit beschrieb er später im biographischen Roman „Die Kindheit„.
Von 1844 bis 1847 studierte Leo Tolstoi an der Universität in Kazan zuerst orientalische Sprachen und dann Jura. Doch das Studium interessierte Tolstoi wenig. Viel lieber vertrödelte der junge Graf seine Zeit in angesagten Salons. Schließlich brachte er das Studium ab und kehrte auf sein Familiengut in Jasnaja Poljana zurück.
Nachdem sein Versuch, ein perfekter Gutsherr zu sein und das Leben seiner Leibeigenen zu verbessern, scheiterte, ging Tolstoi nach Moskau und St. Petersburg. Sein Leben hier war sehr chaotisch. Mal stürzte sich Tolstoi ins Vergnügen, mal wurde er religiös und asketisch, mal fing er an, fleißig für die Klausuren zu lernen, wollte dann ein Beamter werden oder interessierte sich plötzlich für Musik. Und er fing an, zu schreiben.

Verzweifelt bemühte sich Leo Tolstoi, die Welt und den Sinn des Lebens zu verstehen, moralische Werte zu finden, die ihm Halt bieten würden. Er wollte sogar eine eigene Religion gründen, die kein zukünftiges Leben im Paradies verspricht, sonder das Glück auf der Erde gewährt. Wie besessen analysierte Tolstoi vor allem sich selbst und hielt seine Gedanken in einem Tagebuch fest, das er bis zum seinem Tod führte.

1851 meldete sich Leo Tolstoi als Freiwilliger zum Krieg gegen die rebellischen Tschetschenen und ging nach Groznij. Der Kaukasus beeindruckte Tolstoi mit seiner Natur und der Lebensweise der einfachen Leute, die in einem extremen Kontrast zum Zeitvertrieb der Adeligen und Intellektuellen in den Großstädten stand. Tolstoi mochte diese Gegend, die laut seinem Tagebuch „auf eine komische und poetische Weise zwei Gegensätze verband – den Krieg und die Freiheit“.
Von hier aus schickte er seine ersten Erzählungen „Die Geschichte des gestrigen Tages„, „Der Überfall“ und den Roman „Die Kindheit“ zur renommierten Zeitschrift „Der Zeitgenosse“ (russ.: „Современник“). Nach der Veröffentlichung seiner Werke im Jahr 1852 wurde Tolstoi sofort als großes Talent anerkannt.

Nebenbei machte Tolstoi Karriere beim Militär, wurde auf eigenen Wunsch in die Krim versetzt und für seine Tapferkeit im schweren Kampf um die belagerte Festung Sewastopol mit einem Orden und Medaillen ausgezeichnet. Tolstoi verurteilte diejenigen, die Kriege führen, und hielt den Krieg für hässlich und ungerecht. Seine Kriegserfahrungen verarbeitete Tolstoi später in seinem Hauptwerk „Krieg und Frieden„.

Beim Kartenspiel verlor Graf Tolstoi viel Geld und musste sein Familiengut in Jasnaja Poljana verkaufen. Später kaufte er im selben Ort ein anderes Haus.

1856 quittierte Leutnant Tolstoi den Militärdienst, ging kurze Zeit später nach Europa und bereiste Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz. Nach einem kurzen Zwischenstop in Moskau kehrte Tolstoi nach Jasnaja Poljana zurück und eröffnete eine Schule für Bauernkinder. Es folgten weitere 20 Schulen. Begeistert von seinen Projekten, reiste Tolstoi erneut nach Europa, um sich unterschiedliche Schulsysteme und Erziehungsmethoden anzuschauen.

Nach vielen Affären mit Bauerntöchtern und Zigeunerfrauen, träumte Tolstoi von einer richtigen Familie. 1862, also mit 37 Jahren, heiratete er endlich die 18-jährige Tochter eines Nachbars, Sofia Andrejewna Bers (russ.: София Андреевна Берс) und widmete sich zunächst dem Familienleben. Doch bereits 1863 fing Tolstoi an, seinen Roman „Krieg und Frieden“ unter dem Arbeitstitel „Das Jahr 1805“ zu schreiben. Erste Teile des Romans wurden 1865 mit großem Erfolg veröffentlicht. Der komplette Roman erschien 1869.

In den 70er Jahren entstand der Roman „Anna Karenina„. „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“, schreibt Tolstoi. Er schildert die Tragödie einer verheirateten adeligen Frau, die sich in einen jüngeren Grafen Wronskij verliebt und an ihrer aus damaliger Sicht „verbrecherischen“ Leidenschaft so leidet, dass sie sich schließlich das Leben nimmt. Fjodor Dostojewski sagte über den Roman „Anna Karenina„, dass „nichts in der europäischen Literatur damit verglichen werden könnte“.

Mit seiner Frau hatte Tolstoi insgesamt 13 Kinder, fünf starben jedoch im frühen Kindesalter. Ein Zusammenleben mit dem Genie war nicht einfach. Immer wieder verlor er die Kontrolle über sich selbst, wurde hysterisch. Tolstoi liebte seine Kinder, interessierte sich aber mehr als Schriftsteller für ihre Gefühle und verarbeitete diese in seinen Romanen. Doch vor allem eine ständige Analyse von sich selbst lieferte Tolstoi reichlich Schreibstoff. Viele seiner Werke sind mehr oder weniger biographisch und in vielen männlichen Charakteren erkennt man die Gedanken und Eigenschaften des Autors.

In den 80er Jahren erlebte Tolstoi eine geistige und schöpferische Krise. Er setzte sich verstärkt mit der Religion und dem Glauben auseinander und las sogar das Evangelium im Original. Der Dichter versuchte auch, die Bedeutung vom Tod, Sünde, Reue und die Möglichkeit einer moralischen Auferstehung zu ergründen. Immer mehr kritisierte er die Kirche als Institution sowie die enge Verzahnung von Kirche und Staat. Tolstoi sagte, man solle nicht dem Gott dienen, sondern den Menschen und dadurch Gott. Der Konflikt verschärfte sich so sehr, dass Tolstoi 1901 offiziell exkommuniziert wurde. Dies geschah nach der Veröffentlichung des Romans „Auferstehung„, in dem der Autor mit tiefstem Abscheu ein Gottesdienst im Gefängnis darstellte.

Wegen der Einschulung seiner Kinder, zog Tolstoi 1882 wieder nach Moskau und ließ sich im Arbeiterviertel Chamowkini (russ.: Хамовники) nieder. Das Leben der Arbeiter im Elend und Armut erschütterte Tolstoi zutiefst. Er verurteilte die moderne Gesellschaft, die soziale Ungerechtigkeit und setzte sich für die Armen ein. Graf Tolstoi bewunderte die einfachsten Menschen und versuchte, das Leben aus ihrer Perspektive zu betrachten. Er kleidete sich wie sie, erledigte schwere körperliche Arbeit und erhoffte dadurch, inneren Frieden zu finden.

Zu dieser Zeit entstanden Tolstois Werke „Auferstehung„, “ Die Kreutzersonate„, „Der Tod von Iwan Iljitsch„, „Hadschi Murat“ und andere.

In der Familie von Tolstoi kriselte es immer mehr. Vor allem seiner Frau gefiel es überhaupt nicht, dass Tolstoi auf seinen Privatbesitz und die Rechte an seinen Werken zu Gunsten der Allgemeinheit verzichten wollte. Im Herbst 1910 floh der 82-jährige Tolstoi heimlich aus seinem Haus in Jasnaja Poljana. Doch der weltbekannte Denker und Schriftsteller überlebte die Strapazen der Reise nicht und starb am 20. November 1910 an einer Lungenentzündung. Auf seinen Wunsch wurde Tolstoi auf seinem Gut in Jasnaja Poljana begraben. Der geweihten Erde durfte er nicht beigesetzt werden.

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