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Das Große Fasten in der Russisch-Orthodoxen Kirche

Zwiebeltürme einer russischen Kirche

Mit dem Große Fasten bereiten sich orthodoxe Christen in Russland sieben Wochen lang auf das Fest der Auferstehung Christi vor. In der russisch-ortodoxen Kirche beginnt das Große Fasten am Montag nach der Fastnachtswoche Maslenitsa und endet an
Ostern.

Termine für das Große Fasten in der russisch-ortodoxen Kirche:

2024: 18. März bis zum 4. Mai
2025: 3. März bis zum 19. April

Auf Russisch bedeutet das Große Fasten „Великий пост“ [welikij poßt]. Wichtig ist: das Fasten ist keine Diät. Der eigentliche Sinn des Fastens besteht darin, nicht nur den Körper, sondern vor allem den Geist zu reinigen und zu entgiften. Man sollte alle bösen Gedanken vertreiben, seinen Zorn zähmen, nicht lügen und auf sämtliche Gelüste verzichten. Wer alles richtig macht, soll sich nach dem Fasten geistig und körperlich viel wohler fühlen. Man wird gelassener, ausgeglichener und gesünder.
Weil die geistige Reinigung beim Fasten viel wichtiger als der Verzicht auf Nahrung ist, hat die Russisch-Orthodoxe Kirche folgende Menschen von den Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme befreit:

  • Schwangere und stillende Frauen
  • schwer Kranke
  • Arbeiter mit schwerem körperlichem Einsatz
  • Militär
  • Reisende

Als Ausgleich müssen diese Menschengruppen sich um so mehr auf die geistige Reinigung konzentrieren und auf jegliche Unterhaltung verzichten.

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Fasten im modernen Russland

Bei einer im Februar 2024 vom Meinungsforschungsinstitut Levada durchgeführten Umfrage hatte ein Fünftel der Menschen in Russland vor, sich zumindest teilweise beim Essen einzuschränken. 75% hatte keine Absicht, ihre Ernährung zu ändern. 32% der Befragten war bereit, den Alkoholkonsum während der Fastenzeit einzuschränken und 16% das Rauchen. Kaum jemand gab an, die geschäftlichen Aktivitäten herunterfahren sowie auf Unterhaltung und Sex verzichten zu wollen.

Laut Beobachtungen des Levada-Zentrums hat sich das Verhalten der Menschen in Russland am Großen Fasten seit 1997 kaum geändert.
Quelle: Umfrage vom Levada-Zentrum (auf Russisch)

Eine im März 2020 durchgeführte Umfrage des Russischen Zentrums für Meinungsforschung (WZIOM) kam zu folgenden Ergebnissen:

  • 94% der Befragten hatte vom Großen Fasten gehört. Mehr als die Hälfte wußte das genaue Datum aber nicht.
  • 55% behauptete, die mit dem Großen Fasten verbundenen Einschränkungen zu kennen.
  • 69% hatte nicht vor zu fasten.
    Bei jungen Leuten war dieser Anteil höher:
    80% (18- bis 24-jährige) und 81% (25- bis 34-jährige)
  • Nur 10% war sich sicher, dass sie das Fasten einhalten werden.

Quelle: WZIOM Umfrage (auf Russisch)

Fasten traditionell

Das eigentliche Fasten dauert 40 Tage und soll an die Leidenszeit Jesus Christi in der Wüste erinnern. Nach seiner Taufe durch Johannes wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, um dort vom Teufel versucht zu werden. Jesus aß und trank nichts, sondern konzentrierte sich auf seinen Geist.

Das Große Fasten in der Orthodoxen Kirche beginnt 48 Tage vor Ostern, gleich nach dem Faschingssonntag (Maslenitsa). Dies ist die wichtigste und längste Fastenzeit im orthodoxen Kirchenjahr. Am ersten Tag des Fastens, dem Reinen Montag, sollten die Gläubigen das Haus gründlich putzen und den Körper in der Banja (russischen Sauna) reinigen. Auf die ersten 40 Tage des Großen Fastens folgen der Lazarus-Samstag, der Palmsonntag (Weidensonntag) und die Karwoche.

Während des Fastens dürfen keine tierischen Erzeugnisse gegessen werden. Dazu gehören neben Fleisch auch Milchprodukte, Eier und Fisch. Am Reinen Montag und am Karfreitag sollten orthodoxe Christen komplett aufs Essen verzichten. Außerdem darf man während der gesamten Fastenzeit montags bis freitags keine pflanzlichen Öle zu sich nehmen. Pflanzenöl ist nur am Gründonnerstag (russisch: Страстной Четверг) und wenigen anderen Tagen erlaubt. Fisch darf nur an zwei Tagen auf den Tisch: an Mariä Verkündigung (auch Verkündigung des Herrn) am 7. April und am Palmsonntag (der Sonntag vor Ostern). Am Lazarus-Samstag darf Kaviar gegessen werden.

Erlaubt sind: Brot (am besten Vollkorn), diverse Breie (mit Wasser gekocht), Gemüse, Früchte, Pilze, Nüsse und Hülsenfrüchte.

Piroggi

Piroschki (kleine Piroggi)

Während des Fastens haben Gläubige in Russland früher vor allem Suppen und Piroggi mit verschiedenen Füllungen gegessen. Diese wurden natürlich ohne Butter und Öl zubereitet. Zu den beliebtesten Piroggi-Füllungen gehörten Pilze, Mohn, Erbsen, Weißkohl und Beeren. An Fisch-Tagen wurde fein gehackter Fisch mit Hafer- oder Buchweizenbrei gemischt.
Das einfachste Gericht war die so genannte Tjurja (russisch: тюря). Dazu löste man im kalten leicht gesalzenen Wasser etwas Brot auf und mischte ein wenig Zwiebel rein.

Gerichte, die auch während des Großen Fastens gegessen werden dürfen:

Piroggi – Teigtaschen gefüllt mit Weißkohl und Zwiebel
Schtschi – russische Kohlsuppe mit Wasser statt Brühe gekocht
Bohnensuppe mit Walnüssen – nahrhaft und proteinhaltig
Pilzkaviar – Pilze werden von Ernährungsspezialisten als Fleischersatz empfohlen

Fasten mit strenger Diät sollte nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

37 Kommentare zu “Das Große Fasten in der Russisch-Orthodoxen Kirche”

  1. Katharina

    Hallo, gerne würde ich wissen wer den Artikel verfasst hat und wann, damit ich ihn als Quelle angeben kann, ist das möglich?

    • Anastassia

      Danke für Ihre Anfrage. Bitte geben Sie als Quelle RusslandJournal.de an.

  2. Anastasia

    Hallo, gerne würde ich wissen ob man am 2 September wieder „normal“ speisen kann oder ob man da noch fastet und dann am Montag den 3.05 wieder „normal“ essen kann? Wie sollte ich den Tag vom Fasten brechen am besten gestalten ?

    • Anastassia

      Vermutlich meinst du den 2. Mai und nicht September. Das Große Fasten endet am 1. Mai. Das heißt, dass es ab dem 2. Mai keine Einschränkungen gibt. Theoretisch kann man also normal essen. Die Ärzte empfehlen jedoch, das Fasten langsam zu brechen und am Anfang vor allem mit Milchprodukten und Fleisch nicht zu übertreiben. Der genaue Aufbauplan ist je nach Person unterschiedlich und hängt auch davon ab, wie streng gefastet wurde. Vor allem bei strengem Fasten ist es empfehlenswert, sich von einem Spezialisten beraten zu lassen.

  3. Anastasia

    Heute war ich bei einer befreundeten Familie, sie haben extra für mich Reis gekocht und dafür eine Pilzsauce gemacht aus Knorr. Weil sie es natürlich nicht besser wussten und sie nicht auf die Inhaltsstoffe geachtet haben. Da ist aber Milchzucker drin und Milcheiweis. Sowas habe ich mir schon gedacht, aber die Mama hatte Geburtstag und es wäre für mich schlimmer gewesen unhöflich zu sein. Das essen nicht zu essen. Was meint ? Wie steht ihr dazu? Was das eine Sünde? Deswegen würde ich sowieso den Tag nachholen. Fühle mich schlecht, weil ich mein Fasten „abgebrochen“ habe.

    • Anastassia

      Das ist nicht so schlimm. Manche russisch-orthodoxe Geistliche vertreten sogar die Meinung, dass wenn man während des Fastens etwas Verbotenes isst, um die Gastgeber nicht zu beleidigen, die sich bei der Zubereitung aus Unwissenheit an die „Regel“ nicht gehalten haben, ist es ein Zeichen der Demut und Gottergebenheit. Es ist anders als wenn man sich selbst aus Schwäche etwas gönnt, wohl wissend, dass man es nicht essen sollte. Das wäre Arglist und damit eine Sünde.

    • Anastassia

      Bei diesem Thema gehen die Meinungen auseinander. Manche russisch-orthodoxe Geistliche halten es für möglich, andere dagegen sind der Ansicht, dass Frauen während der Monatsblutung nicht fasten dürfen. Die Russisch-Orthodoxe Kirche betont immer wieder, dass die Reinigung der Seele beim Fasten wichtiger als der Verzicht auf Nahrung ist, und erlaubt unter anderem Schwerkranken nicht zu fasten. Also wenn die Menstruation mit vielen Beschwerden verbunden ist, wäre es wahrscheinlich besser, in dieser Zeit nicht bzw. nicht so streng zu fasten. Wenn es eher um den kirchlich/geistlichen Aspekt geht, dann wäre es am besten, darüber mit einem Priester des Vertrauens zu sprechen.

    • Anastassia

      Außer am ersten Fasttag und am Karfreitag darf man Weizenbrot essen, wenn es keine tierischen Zutaten wie Milch enthält.

  4. Christoph

    Darf ich in diesen fasten Zeiten noch sexuelle Tätigkeiten haben?

    • Anastassia

      Gemäß der russisch-orthodoxen Kirche sollte man beim strengen Fasten auf sexuelle Tätigkeiten verzichten. Außerhalb der Ehe gilt Sex sowieso als Sünde und während des Fastens sollte man besonders darauf achten, nicht zu sündigen. Sogar Sex innerhalb der Ehe ist beim Fasten unerwünscht. Manche russisch-orthodoxe Priester erlauben sexuelle Tätigkeiten zwischen den Ehepartnern nur wenn sie absolut notwendig sind, um größere Sünden wie Untreue zu vermeiden.

  5. Emily

    Man darf ja am ersten Fastentag nichts essen aber darf man was trinken ?

    • Anastassia

      Beim strengen Fasten ist am ersten Tag nur Wasser erlaubt. Wenn man es nicht so streng nimmt, darf man auch Tee und Kaffee trinken, natürlich ohne Zucker oder Milch.

  6. Helena Gruber

    Darf in der Zeit Zucker und Salz/Pfeffer genommen werden ?

    • Anastassia

      Ja, Zucker und Salz/Pfeffer dürfen während des Großen Fastens genommen werden.

  7. Zarina

    Hallo… velinki Pust ist von 15 April bis 1 Mai ?? Ein Fehler ? Denke 15 März…

    • Anastassia

      Hallo und vielen Dank für den Hinweis. Im Jahr 2021 startet das Große Fasten am 15. März. Wir haben die Angabe korrigiert.

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